EXTRAVAGANTES » INTERVIEWS » Interview Josef Faber
Sie wird liebevoll die „Mutter aller Roller“ genannt und hat die Herzen von Generationen erobert. Bei ihrem Anblick schmunzelt man. Sie steht für Lebensfreude und Italo-Flair. Kaum ein anderes Fahrzeug hat derart Geschichte geschrieben wie die Vespa. Und jetzt erlebt sie mit der Vorstellung der neuen Vespa 946 ein besonderes Revival! Anlass genug für Univ.-Lektor Mag. Karin Strahner, Josef Faber, den Exklusiv-Vertreter von Vespa in Österreich, zum BizTalk zu treffen.
Herr Faber, Sie feiern demnächst gleich zwei besonderen Jubiläen, richtig?
Ja, wir sind besonders stolz darauf, 50 Jahre Vespa in Österreich und 65 Jahre Faber GmbH zu feiern. Mein Vater hat 1948 aus seiner Leidenschaft für den Motorradrennsport heraus dieses Unternehmen gegründet und zu großartigem Erfolg geführt. Während er auf seinem tschechoslowakischem Motorrad „Jawa“ als Profisportler eine Goldmedaille nach der anderen gewann, gelang es ihm auch, sich als Geschäftsmann zu etablieren und die Österreich-Vertriebsrechte von Jawa zu sichern. Damit legte er den Grundstein für unser Familienunternehmen, das mittlerweile aus der österreichischen Zweirad-Geschichte nicht mehr wegzudenken ist. Nach der Unterzeichung des Importvertrags mit Honda – mein Vater wurde damit 1961 der erste österreichische Importeur japanischer Produkte – folgte 1964 der nächste Schritt: Faber übernahm die Generalvertretung der traditionsreichen Zweirad-Marken Piaggio, Vespa und Gilera. Wir haben in den letzten 50 Jahren sicherlich die österreichische Piaggio-Geschichte geprägt; nicht umsonst sind wir weltweit der „älteste“ Piaggio-Vertreter.
Wann haben Sie das Unternehmen von Ihrem Vater übernommen und was hat sich seither getan?
Mein Vater war ein Visionär! Mein Bruder Peter und ich haben unglaublich viel von ihm gelernt. Auch nach der offiziellen Übergabe der Geschäftsführung vor über 20 Jahren hat er uns noch als Berater begleitet und uns damit das Rüstzeug gegeben, sein Unternehmen zu weiteren Erfolgen zu führen. Mit unseren 67 Mitarbeitern erwirtschaften wir mittlerweile einen Jahresumsatz von 38 Millionen Euro (das ist ein Plus von 10% gegenüber dem Vorjahr). Unser Sortiment umfasst Roller, Mopeds und Motorräder inklusive Zubehör, aber auch Fahrräder und E-Bikes. In den letzten Jahren konnten wir unser Handelsbeziehung mit Piaggio extrem festigen und vertreiben mittlerweile den Großteil des Sortiments von Piaggio. Das wurde im Frühjahr 2010 von Piaggio mit der Auszeichung „erfolgreichster Importeur“ gewürdigt!
Welche Bedeutung hat die Vespa für Sie?
Das Vespa-Sortiment ist eine elementare Säule unseres Unternehmens. Die Marke ist ein Phänomen: der Vespa-Boom hält im Prinzip seit 1946 in einmal stärkerer, einmal schwächerer Ausprägung an. Die Vespa hat sozusagen auch ein Dauer-Revival. Jede Generation hat seitdem „ihre“ Vespa. Die Marke hat sich im Prinzip alle 5 bis 15 Jahre selbst neu erfunden – was aber seit der ersten Vespa immer gleich blieb, ist das unvermeidliche Lächeln, wenn man auf einer Vespa fährt, das Lebensgefühl und die individuelle Freiheit, die sie den Menschen ermöglicht.
Wie begann die Vespa-Geschichte?
Man kann sagen „Not macht erfinderisch“: das von Rinaldo Piaggio 1884 gegründete Unternehmen war sehr erfolgreich im Schiff-, Eisenbahn- und später Flugzeugbau aktiv. Nach dem zweiten Weltkrieg, in dem das Werk in Pontedera völlig zerstört wurde, war auch die Kriegsproduktion beendet. Dieser Umstand und die Tatsache, dass die Bevölkerung Bedarf an erschwinglichen Fortbewegungsmitteln hatte, brachte Enrico Piaggio auf die Idee, einen motorisierten Roller als leistbares Produkt für die breite Masse zu entwickeln. Er ließ seiner Intuition freien Lauf und beauftragte den Luftfahrtingenieur Corrado D’Ascanio, der zuvor noch nie Motorräder konstruiert hatte, mit der Planung und dem Bau eines solchen Gefährts. Aus Blechteilen der stillgelegten Presse von Piaggio wurde ein revolutionärer Roller entwickelt. Da es zu jener Zeit auch fast keine Antriebsketten gab, erfand man einen kleinen Zweitakt-Motor mit 98 cm3 Hubraum und einem angebauten Direktantrieb. Die Vorderradaufhängung übernahm man einfach aus dem Flugzeugbau und als Räder wurden die von Schubkarren verwendet; eigentlich viel zu klein für den Roller, aber halt gerade verfügbar. Den Scheinwerfer platzierte man auf den vorderen Kotflügel und das ganze wurde in Grün gestrichen – jener Farbe, die aus dem Krieg in großer Menge vorhanden war. Als Enrico Piaggio schließlich auf dem Prototyp „M6“ mit dessen charakteristisch breiten Mittelteil und seiner schmalen Taille saß, rief er: „Es sieht aus wie eine Wespe!“. Die Vespa – der erste Roller von Piaggio – war geboren.
Ein Erfolg von Stunde Null an?
Na ja, anfangs wurde die ungewöhnliche Konstruktion schon belächelt, aber bald wurden alle Kritiker eines Besseren belehrt: 1946 brachte Piaggio 2.484 Roller auf den Markt; im nächsten Jahr waren es schon über 10.000 Stück und 1948 bereits knappe 20.000. Piaggio hatte einen Bedarf gedeckt und mit der Vespa ein zweirädriges Fahrzeug geschaffen, das auch für einen ungeübten Fahrer einfach zu beherrschen war. Man saß bequem – wie in einem Auto – auf dem Sitz und brauchte sich keine Sorgen mehr um verschmutzte Kleidung machen. 1948 wurde die „Vespa 125“ vorgestellt. Mit diesem stärkeren Modell und dank seines unermüdlichen Einsatzes gelang es Enrico Piaggio die Marke weltweit zu etablieren.
Was macht den Erfolg der Vespa aus?
Den Grundstein bildeten der rasche Aufbau eines dichten Service-Stellen-Netzwerks, die Produktion durch internationale Lizenznehmern, aber auch die zahlreichen Marketingmaßnahmen von Enrico Piaggio, wie z.B. die Gründung des Vespa-Clubs; das alles – gepaart mit modernster Technologie und laufenden Innovationen (139 Modelle innerhalb von 60 Jahren!) – aber auch die disziplinierte Beibehaltung der markanten Vespa-Optik und des Klangs prägen diesen wohl einzigartigen Marken-Erfolg mit über 17 Millionen verkauften Exemplaren. Das „Vespa-Fahren“ wurde in der Bevölkerung von Beginn an mit Werten wie Freiheit, Zwanglosigkeit und Unabhängigkeit gleichgesetzt; ein Symbol für einen ganz besonderen Lebensstil. Die Vespa wurde etwa im Kino, in der Literatur oder in der Werbung als Sinnbild einer im Wandel begriffenen Gesellschaft gesehen. In dem legendären Film „Ein Herz und eine Krone“ waren Audrey Hepburn und Gregory Peck nur die ersten einer langen Reihe internationaler Schauspieler, die man auf dem berühmtesten Roller der Welt bewundern konnte.
Aber die schönen 60er Jahre, das „Dolce Vita“, ist das nicht schon längst Vergangenheit?
Ganz im Gegenteil! Das Kult-Fahrzeug erlebt gerade ein fantastisches Revival. Unter dem Namen „946“ wird gerade die luxuriöseste Vespa aller Zeiten vorgestellt: eine perfekte Melange aus Innovation und Kult! Mit seinem schwebenden Sattel, den zierlichen Scheinwerfern und weiteren liebevollen Designelementen erinnert das Modell an die Ur-Vespa aus 1946. Piaggio hat dafür sogar eine eigene Produktionsstraße errichtet. Die
einzigartige Kombination aus Handwerk, High-Tech, hochwertigstem Stahl und Aluminium und das legendäre Design sind der Garant für einen weiteren Vespa-Erfolgs-Kick.
Ein Blick in die Vespa-Zukunft?
Das heurige Jahr steht ganz im Zeichen der 946er. Die ersten Vorbestellungen laufen schon. Einer unserer Kunden wird sich diese Kult-Vespa sogar ins Wohnzimmer stellen. Cool, oder? Ein Möbelstück – fast zu schade für die Straße. Für die Weiterentwicklung ist aber auch schon gesorgt. Es laufen Gespräche mit Top-Designern der ganz großen Mode-Labels. Lassen Sie sich überraschen!
Die Vespa und der Golfsport – gibt es da Gemeinsamkeiten?
Die Golfer sind gerne im Freien, in der Natur. Sie legen großen Wert auf Qualität, aber auch auf Mode und Design. Noch dazu sind sie wirkliche Genussmenschen. Alles Werte, die auch einen Vespa-Fan auszeichnen.
Spielen Sie Golf?
Ich liebe Golf! Leider bin ich seit meiner Platzreifeprüfung vor 10 Jahren noch nicht sehr viel weiter gekommen, aber ich hab’s ganz fest vor! Und meine Frau muss ich auch noch davon überzeugen… aber dann freue ich mich auf ein wunderschönes Golf-Wochenende in der Toskana, natürlich mit einer Vespa!