Interview Walter Zinggl
Interview Walter Zinggl

Lean backward or forward

Die Lagerfeuer-Funktion unserer Fernsehgeräte hat längst ausgedient. Vorbei die Zeit, als in der Familie über die Wahl des Hauptabendprogramms diskutiert wurde und Papa sich kraft seiner Autorität durchsetzte. Jeder sieht auf seinem eigenen Gerät, wo, wann und was er will. Sender-Mediatheken, wie „TV NOW“ vs Streaming-Dienste, Lean back vs Lean forward-Seherverhalten und Binge-Viewing und schließlich neues Targeting über Addressable TV – das sind die aktuellen und brisanten Themen, die den Markt prägen. Einer der wichtigsten Player dabei ist die IP Österreich, der exklusive Werbezeitenvermarkter von zehn TV-Sendern: RTL, VOX, SUPER RTL, NITRO, RTLplus, n-tv, RTL II, sowie Sky Sport Austria, R9 und schauTV. Im nächsten Jahr feiert das Unternehmen sein 25-Jahr-Jubiläum. Anlass genug für Univ.-Lektor Mag. Karin Strahner, Chefin des exklusiven Wirtschaftsclubs K.S.-Circle (www.ks-circle.com) den Geschäftsführer der IP Österreich, Walter Zinggl, zum exklusiven BizTalk-Interview zu treffen.

Herr Zinggl, vorab: die IP ist eine Tochter der IP Deutschland und die gehört wiederum zur Mediengruppe RTL, richtig?
„Das stimmt nur teilweise. Die IP Österreich ist ein in der österreichischen Wirtschaft fest verankertes Unternehmen, denn wir gehören zu 50% auch der Kronenzeitung. Wir sind also nicht die bösen Deutschen, die das Geld absaugen, sondern leisten mit unseren 44 Mitarbeitern einen elementaren Beitrag zum heimischen Bruttosozialprodukt. Das ist uns sehr wichtig!“

Und jetzt konkret zum Thema TV: inwiefern hat sich das Seherverhalten in den letzten Jahren verändert?
„Die neuen Online-Technologien eröffnen dem Konsumenten eine immense Bandbreite an TV-Angeboten, von Videos auf YouTube bis zu den Mediatheken, von denen ich verpasste Sendungen abrufen oder bei Netflix, Amazon & Co Filme und ganze Serien-Staffeln in einem Stück konsumieren kann.“

Worin unterscheiden sich nun die diversen Anbieter?
„Durch die angebotenen Sendungen bzw. Eigenproduktionen und durch die Art, wie sie diese Programme finanzieren. Netflix und Amazon kann man zwar gratis testen, aber dann zahlt man ein monatliches Abo. Wir finanzieren uns primär durch den Verkauf der Werbezeiten und damit ist es für den Seher For Free! Das gilt für das klassische lineare TV-Programm ebenso wie für unsere Online-Angebote.“

Sie bieten auch online-Produkte an? Welche sind das?
„Vor rund einem Jahr haben wir unseren neuen Free-TV-Sender „NOW US“ vorgestellt. Dort sind u.a. beliebte Top-Serien wie „Anger Management“ „Glee“, „Breaking Bad“, „White Collar“ oder „King Maxwell“, aber auch packende Free-TVPremieren zu sehen. Von allen Serien präsentieren wir stets mehrere Episoden am Stück, als Video-on-Demand kostenlos abrufbar. D.h. hat man die Serie im linearen Fernsehen verpasst, kann man sie bei NOW US nachträglich genießen. Ausgestrahlt wird NOW US täglich von 20:15 bis 06 Uhr exklusiv bei TV NOW und ist über alle Smartphones, Tablets, Apple Streaming Box, Apple TV App, Amazon Fire TV oder Android TV abrufbar und auch natürlich auf den großen Screens. Mit NOW US etablierte unsere Mediengruppe nach RTL, VOX, n-tv, NITRO, RTLplus, SUPER RTL, TOGGO plus und RTL II bereits den neunten Free-TV-Sender.“

Gibt es bei NOW US auch Werbeeinschaltungen?
„Es gibt sehr wohl Werbung, aber anders als beim linearen Fernsehen, nämlich als „Pre-Rolls“ am Beginn der Sendung und als „Mid-oder Post-Rolls“

Wie ist das nun mit dem Binge-Viewing? Das ist doch werbefrei, oder? Wie wird das denn finanziert?
„Über Abos bzw. einen Einmal-Preis. Hier zahlt der Konsument z.B. für eine komplette Staffel mit – sagen wir einmal – 24 Folgen ca. € 30,–. Allerdings gibt es kaum offiziellen Zahlen der Anbieter und die langfristige Finanzierbarkeit möchte ich sehr in Frage stellen, zumal es um Content-Verbrennung geht…“

Content-Verbrennung, wie meinen Sie das?
„Ganz einfach: die verfügbaren Produktionen und Serien sind bald erschöpft. Überlegen Sie einmal: der Konsument kauft eine komplette Staffel und sieht sie an einem einzigen Tag oder übers Wochenende, statt – wie bei Serien eigentlich üblich – über mehrere Wochen gestreckt. Nach der sehr rasch konsumierten Staffel bestellt er die nächste. Aber irgendwann ist er mit seinem „Wunschprogramm“ durch und die Anbieter kommen andererseits mit der Produktion nicht nach.“

Unterscheiden sich die Staffeln der Streaming-Plattformen von jenen Serienproduktionen für das lineare TV?
„Aber selbstverständlich! Es ist ein komplett anderer Erzähl- und Produktionsstil, denn es sind keine abgeschlossenen Episoden, bei denen man sich auch auskennt, wenn man eine verpasst hat, sondern man muss sie wirklich lückenlos sehen und dabei bleiben, 1,2,3,4,… Das kommt beim Zuseher nicht so gut an.“

Allerdings bin ich mein eigener Programm-Direktor, oder?
„Dieses Lean-Forward-Sehen ist aber auch ein Fluch. Denn – wie gesagt – ich werde bald keine bevorzugten Staffeln mehr finden.“

Lean Forward?
„Naja, ich muss mich nach vorne lehnen, proaktiv und bewusst auswählen. Bei Lean Back am linearen TV-Gerät hingegen ist das wie beim Zeitung Aufschlagen: ich lasse mich überraschen beim Durchblättern und wenn ich etwas entdecke, was mich interessiert, bleibe ich hängen. Das ist für den Großteil der Konsumenten entspannender – vor allem nach einem stressigen Tag voller wichtiger Entscheidungen, sei es im Job, im Haushalt, mit den Kindern, und, und, und… und dann ist endlich Zeit zum Genießen, Fallenlassen, zum Lean Back: es wird mir auf alle Fälle etwas geliefert. Gefällt es mir nicht, zappe ich einfach weiter.“

Welche Bedeutung hat eigentlich noch das klassische, lineare Fernsehprogramm?
„Generell werden Medien, und zwar alle, eher von den Älteren konsumiert. Die Jugend ist einfach mehr unterwegs und hat andere Interessen; das war immer so und ist auch gut. Aber: das lineare TV erfreut sich nach wie großer Beliebtheit. Ich darf hier die aktuelle Bewegtbildstudie zitieren, in der die Seher befragt werden, wo sie konsumieren, und da sind es in der Gesamtbevölkerung ab 14 Jahren rund 76,7%, die ganz klar das lineare Fernsehen konsumieren; und sogar in der Altersgruppe 14 – 29 sind es knapp 50%. Danach teilt sich der Markt in beiden Altersgruppen ziemlich gleich auf zwischen Google, DVDs & Co. Nur ca. 6% konsumieren über die Abrufplattformen der Sender und nur ca. 2% über gezielte Bestellung, davon sehen aber 30% YouTube. Soweit zur Bedeutung der Streaming Dienste. Es ist und bleibt ein Nischenprogramm.“

Warum bleiben die Streaming Dienste Ihrer Meinung nach denn ein Nischenprogramm?
„Weil es mehrere große Hürden gibt: zunächst ist die Erzählform anders. Ich darf keine Folge verpassen, sonst kenn ich mich nicht aus. Bleibt als Lösung nur Binge-Viewing, also die Konsumation der kompletten Staffel in einem Stück über mindestens sieben bis acht Stunden; das muss man schon mögen und die Zeit dafür haben… und dazu kostet es noch Datenvolumen für den Download! Dann kommt das Thema „ich muss eine Entscheidung treffen“, also Lean Forward. Und schließlich die Tatsache, dass sich der Content erschöpft. Kein Anbieter kann so schnell produzieren, wie der Konsument schaut.“

Was bedeutet das für Sie als Vermarkter der TV-Werbezeiten und wie reagiert die IP darauf?
„Die Herausforderung besteht einerseits darin, den Zuschauer mit hervorragendem Programm, idealerweise Eigenproduktionen und exklusive Serien, zu faszinieren und zu binden, andererseits, unseren werbetreibenden Kunden innovative, kreative und effiziente Lösungen anzubieten, um ihre Zielgruppe mit der Werbebotschaft punktgenau zu erreichen.“

Was gibt es da an neuen IP-Angeboten?
„Zum Beispiel unser Addressable TV: Das ist wahrscheinlich das spannendste Thema seit die Bilder laufen lernten. Dank der Hbb-Technologie haben die Fernsehgeräte, die „Smart TV-Geräte“, mittlerweile eine Reihe von Zusatzfunktionen, alles voran die Internet-Fähigkeit. Sobald nun ein Zuseher mit dem Internet verbunden ist und einen unserer Sender anklickt, können wir ihm zusätzlich zum linearen Signal, also dem üblichen Werbeblock, auch ganz gezielt Werbebotschaften senden.“

Wie darf ich das verstehen? Sie schicken mir dann eine persönliche Werbebotschaft?
„Nein, so weit sind wir noch nicht (und lacht). Aber wir können das Profil unserer Seher bereits nach Geschlecht, Altersgruppe und Region – sogar mit Postleitzahl bestimmen. Diese Informationen in Kombination mit Situations-Wissen, wie z.B. die regionale Wettervorhersage eröffnet ungeahnte und auch kurzfristige Möglichkeiten für unsere Kunden. Um es greifbarer zu machen, ein Beispiel: für Wien ist eine Hitzeperiode angesagt, für die Steiermark massive Regen, für Vorarlberg Schneeeinbruch. Da liegt es auf der Hand, welche Produkte sich für die Werbung gut eignen…“

Und wie sieht so eine „Addressable TV-Werbebotschaft dann konkret aus?
„Der Seher besucht z. B. RTL; da geht ein „Switch-In“ einmalig pro Senderbesuch auf, eine Art L-Rahmen mit der Werbebotschaft, und blendet sich kurz während der Sendung ein. Einer unserer 1st movers, unserer ersten Auftraggeber, war T-Mobile.“

Die Reaktion der Werbekunden? Wird das neue Format gut angenommen?
„Es herrscht großer Enthusiasmus! Zumal es auch eine Chance für kleinere Budget ist. Eine vernünftige Kampagne über 2–3 Wochen ist mit rd. € 20.000,– schon durchaus realistisch. Das Format ist neu und fordert uns alle. Es heißt ausprobieren, ein bisserl mutig sein und mit kreativen Ideen auffallen, bei einem Potenzial von rd. 1,3 Millionen Unique Devices (den einzelnen Endgeräten), die man damit gezielt erreichen kann.“

Zum Abschluss noch: Ihr Wunsch an die Regierung?
„Gleichstellung, bitte! Wir als Private Sender haben nur eine Möglichkeit der Finanzierung: über die Werbezeiten. Der ORF hat aber zusätzlich noch die GIS-Einnahmen, d.h. er ist im Gegensatz zu uns Doppelverdiener und hat dadurch einen wettbewerbsverzerrenden Vorteil. Mit einer vollgefüllten Geldtasche von rd. 1 Mrd Euro steigt man im Bemühen um die Ausstrahlungsrechte für ein Sportevent einfach ganz anders in den Ring…“

IP Österreich GmbH
+43 1 367 80 40, info@ip.at, www.ip.at

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