Wo sind sie hin, die guten alten Zeiten? Damals – und ich muss mit Schrecken feststellen, dass das tatsächlich schon über 40 Jahre her ist – war es undenkbar, dass Ehepaare miteinander im Turnier spielten. Ganz zu schweigen davon, dass sich jemand erdreistet hätte, beim Sekretariat einen Wunschflight anzumelden. Und doch war es auffällig: der Herr Bankdirektor spielte immer irgendwie mit denselben Kollegen, der Präsident und so mancher Vorstand waren ebenfalls nicht ungeschickt, wenn es um diskrete Ausnahmen ging. Ach ja – Shorts mussten damals übers Knie gehen, Leibchen brauchten Ärmel und Kragen, auch für Damen. Zeiten ändern sich.
Warum das Ganze?
Die ursprüngliche Idee war klar: Bloß keine Schummelei ermöglichen. Außerdem hätten die Sekretariate wahrscheinlich den Stift verweigert, wenn sie jede Sonderwunsch-Liste bearbeiten sollten. Heute sieht das anders aus – und die Realität zeigt: Es ist eine MengeArbeit, alle Wünsche unterzubringen.
• Nicht zu früh, aber auch nicht zu spät starten.
• Um Gottes willen nicht mit Frau Mustermann.
• Bitte nur mit den drei besten Freunden.
• Ach ja, und unbedingt um 10:00 Uhr.
Leider wollen auch vier andere Gruppen genau diese Startzeit.
Der Auslöser für diese Kolumne
Ein junges Mitglied hat nach einem Jahr Training sein erstes Turnier gespielt. Ergebnis: 85 Nettopunkte. Die Empörung im Club war groß – „die müssen geschummelt haben!“ hieß es von allen Seiten. Nur: Ich habe den Drive des jungen Mannes nachgemessen. Satte 280 Me ter. Sein Pro meinte, dass er mit mindestens 70 Nettopunkten gerechnet hat. Geschwindelt? Ganz sicher nicht.
Was sagen die Regeln?
Die Golfregeln sind eigentlich eindeutig:
• Regel 1.2a und 1.3b: Die Verantwortung liegt allein beim Spieler.
• Regel 3.3b: Der Zähler muss richtige Scores eintragen – macht er das wissentlich falsch, ist er raus.
Was aber nirgendwo steht: Dass man nicht mit Freunden spielen darf. Oder dass Startlisten zwingend nach Handicap zu ordnen wären. Ganz im Gegenteil: Die Regeln gehen davon aus, dass Golfer ehrlich spielen – nicht, dass jeder unter Generalverdacht steht.
Die Realität der Turniere
Ganz ehrlich: Sponsoren-Turniere ohne Wunschflights? Unmöglich. Soll ich meinem Hauptkunden erklären, dass er nicht mit seinem Freund spielen darf und statt um 10:00 Uhr bereits um 8:00 Uhr antreten muss – ob wohl er 200 km anreisen musste? Die Konsequenz wäre simpel: Weniger Teilnehmer, weniger Turnierfee, weniger Einnahmen für Club und Gastronomie – und obendrein noch Sponsoren, die abspringen. Die gesellschaftliche Seite des Clublebens würde leiden. Und ob geschummelt wird oder nicht, hat ohnehin nichts mit Wunschflights zu tun.
Mein Fazit
Lassen wir die Clubmeisterschaften ohne Wunschflights – das ist sportlich korrekt und gut so. Aber in allen anderen Turnieren sollten wir den Spielern ihre Wünsche lassen. Glauben wir an das Gute im Golfer – und gönnen wir jedem ein bisschen Freude an seinem Flight.
Nikolaus Skene
Geschäftsführer des GC Gut Murstätten
R&A approved referee
Rules Committee ÖGV
Championship Committee ÖGV